Von der Pflege für die Pflege |
Wie gelingt es, sensibel auf die Bedürfnisse homosexueller, transsexueller, queerer und bisexueller Senior:innen einzugehen? Hier findest du Beispiele, Tipps und Infos, die dir dabei helfen können, einen einfühlsamen Umgang zu gewährleisten.
Lesben-, Schwulen- und Trans-Pflege im Pride Month
Im Juni, dem LGBTQIA+ Pride Month, rückt der Fokus auch in der ambulanten und stationären Pflege zunehmen mehr auf das was uns bewegt. Dies lebensweltorientierte Pflege von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen, Queeren, Intergeschlechtlichen und Asexuellen. Auch in der Pflegeausbildung ist dies immer noch ein oft vernachlässigtes Thema: die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität und sexuelle Identität von von Senior:innen. Viele Pflegekräfte sind unsicher im Umgang mit LSBTIQ+ Pflegebedürftigen. Das Wissen um ihren kulturellen und sozialen Hintergrund ist entscheidend, um ihnen ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich akzeptiert und wahrgenommen fühlen.
Die Rolle der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität in der Pflege
Pflegekräfte sagen oft: „Ich pflege jeden, unabhängig von der Sexualität.“ Das signalisiert Toleranz, aber es fehlt ein tieferes Verständnis für die Lebenswelt homosexueller, transsexueller, queerer und bisexueller Menschen. Ohne dieses Bewusstsein ist es schwierig, ihren spezifischen Bedürfnissen gerecht zu werden und ein angstfreies Umfeld zu schaffen. Andreas Schütz, Gründer der Plattform Queer-Pflege, betont: „LSBTIQ+ Pflegebedürftige verdienen es, als einzigartige Individuen mit ihren eigenen Lebensgeschichten gesehen und respektiert zu werden.“ Dies zeigt, wie wichtig es ist, die biografische und kulturelle Identität der Pflegebedürftigen zu respektieren.
Herausforderungen für Pflegefachkräfte
Individuelle Pflege ist schon durch Personalmangel und Zeitdruck schwer umzusetzen. Besonders LSBTIQ+ Senior:innen sind betroffen, wenn keine bedürfnisorientierte Pflege möglich ist. Daher müssen Pflegekräfte besonders sensibilisiert und geschult werden, um den individuellen Bedürfnissen dieser Gruppe gerecht zu werden.
Kultureller Hintergrund LSBTIQ+ Pflegebedürftiger
LSBTIQ+ Senior:innen haben andere Lebenserfahrungen als heterosexuelle. Historische Diskriminierungen wie die Kennzeichnung Homosexueller mit dem rosa Dreieck und die Kriminalisierung durch § 175 StGB haben tiefe Spuren hinterlassen. Solche Erfahrungen prägen das Bedürfnis nach einem sensiblen Umgang in der Pflege. Ein Verständnis für diese historischen Hintergründe kann helfen, eine respektvolle und empathische Pflege zu gewährleisten.
LSBTIQ+ Senior:innen im Pflegeheim heute
Homosexualität galt lange als psychische Störung, was viele ältere LSBTIQ+ Menschen nachhaltig belastet. Aus Angst vor Diskriminierung leben viele im Pflegeheim ein unfreiwilliges Doppelleben. Pflegekräfte sollten daher aufmerksam und verständnisvoll sein, um ein sicheres und unterstützendes Umfeld zu schaffen.
Besonderheiten lesbischer Frauen im Pflegeheim
Marinka Körzendörfer, eine bekannte Aktivistin, betont: „Lesbische Lebensrealitäten werden oft übersehen.“ Fachkräfte erkennen selten, dass lesbische Frauen lebenslang mit Ablehnung kämpften und daher besondere Bedürfnisse haben. Es ist wichtig, diese speziellen Bedürfnisse zu erkennen und entsprechend zu reagieren, um eine angemessene Pflege zu gewährleisten.
Beispiele aus der Praxis
Eine Seniorin weigerte sich, ihr Zimmer zu verlassen, bis ein homosexueller Pfleger ihr Vertrauen gewann. Sie fühlte sich in der heteronormativen Umgebung unwohl und wollte nicht anecken. Solche Fälle zeigen, wie wichtig ein akzeptierender Umgang ist und wie er dazu beitragen kann, das Wohlbefinden der Pflegebedürftigen zu verbessern.
Angst vor Diskriminierung
Viele LSBTIQ+ Senior:innen verschweigen ihre Identität aus Angst vor Diskriminierung. Sie fürchten respektlos behandelt zu werden oder abwertende Kommentare zu erhalten. Ein angstfreies Lebensumfeld ist daher essenziell, um ihnen ein sicheres und unterstützendes Umfeld zu bieten.
Gestaltung eines sicheren Umfelds
Das Bewusstsein um die Vergangenheit homosexueller und transidenter Menschen ist die Grundlage für kultursensible Pflege. Ein akzeptierendes Umfeld erleichtert es älteren LSBTIQ+ Personen, sich zu öffnen, wenn sie das möchten. Ein solches Umfeld zu schaffen, erfordert Sensibilität und Verständnis seitens der Pflegekräfte.
LGBTQIA+-Symbole und ihre Bedeutung
Symbole wie die Regenbogenfahne oder das rosa Dreieck haben große Bedeutung in der LSBTIQ+-Gemeinschaft. Pflegekräfte sollten diese Symbole erkennen und ihre Bedeutung verstehen. Das Erkennen und Respektieren dieser Symbole trägt zur Schaffung eines unterstützenden Umfelds bei.
Gespräche und Verständnis
Offene Gespräche und das Erkennen von Symbolen in der Biografie-Arbeit helfen, eine Verbindung zu den Pflegebedürftigen herzustellen. Eine LGBTQIA+-freundliche Grundeinstellung und das Unterbinden von Diskriminierung sind entscheidend, um ein unterstützendes Umfeld zu schaffen.
Die Schlüsselfunktion homosexueller Pflegekräfte
Homosexuelle Pflegekräfte spielen eine wichtige Rolle, indem sie ein Vorbild für Offenheit und Akzeptanz sind. Ein tolerantes Miteinander fördert ein würdevolles Altern ohne Verlust der Identität. Offenheit und Akzeptanz unter den Pflegekräften erleichtern es LSBTIQ+ Pflegebedürftigen, sich sicher und unterstützt zu fühlen.
Historische und rechtliche Aspekte
Homosexuelle und transidente Menschen haben eine lange Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung hinter sich. § 175 StGB führte zu staatlich unterstützter Diskriminierung, die erst 1994 abgeschafft wurde. Die erste geschlechtsangleichende Operation wurde 1930 am Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld durchgeführt. Die Aufhebung der Diskriminierungsgesetze und die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2001 und der Ehe für alle im Jahr 2017 waren wichtige Meilensteine. Das 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz erleichtert die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität für trans*, inter* und nichtbinäre Personen. Diese rechtlichen Fortschritte sind wichtig für das Verständnis der heutigen Situation von LSBTIQ+ Senior:innen.
Fazit
Ein sensibler Umgang mit LSBTIQ+ Senior:innen in der Pflege erfordert Wissen, Verständnis und eine offene Haltung. Nur so kann ein Umfeld geschaffen werden, in dem sich alle Pflegebedürftigen sicher und wertgeschätzt fühlen. Die Anerkennung der historischen und kulturellen Hintergründe ist ebenso wichtig wie die kontinuierliche Sensibilisierung und Schulung der Pflegekräfte.
Weiterführende Informationen und Hintergrundinformationen findest du mehr auf hier.