Wir geben einen Überblick über das Antragsverfahren für Pflegeleistungen für queere Pflegebedürftige. Der Antrag wird je nach Versicherungsart bei der Pflegekasse oder der privaten Versicherung gestellt. Der erste Schritt ist die Beantragung von Pflegeleistungen. Dazu gibt es einen Musterantrag, der ausgefüllt an die Pflegekasse geschickt werden muss. Innerhalb von 2 Wochen nach Antragstellung wird ein Begutachtungstermin vereinbart, bei dem ein Gutachter oder eine Gutachterin den Pflegebedarf feststellt. Vor dem Begutachtungstermin empfiehlt es sich, eine kostenlose Pflegeberatung in Anspruch zu nehmen. Im Folgenden erklären wir Schritt für Schritt, wie das Verfahren abläuft.
Schritt-für-Schritt-Anleitung für den queeren Pflegeantrag
Wenn du aufgrund körperlicher oder psychischer Einschränkungen pflegebedürftig bist, kannst du in Deutschland Unterstützung aus der Pflegeversicherung erhalten. Das Verfahren zur Beantragung von Pflegeleistungen ist jedoch oft komplex und unübersichtlich. Insbesondere für queere Menschen, die mit gesellschaftlichen Vorurteilen und Diskriminierungen konfrontiert sind, kann die Beantragung von Pflegeleistungen zusätzliche Hürden mit sich bringen.
Um dich als queeren Menschen bei der Beantragung von Pflegeleistungen zu unterstützen, haben wir eine Schritt-für-Schritt-Anleitung erstellt. In diesem Blogbeitrag erfährst du, welche Voraussetzungen für die Beantragung von Pflegeleistungen erfüllt sein müssen, wie der Antrag gestellt wird und welche Schritte danach folgen.
Voraussetzungen für den Antrag auf Pflegeleistungen
Um Pflegeleistungen beantragen zu können, muss die Pflegebedürftigkeit für mindestens sechs Monate bestehen oder voraussichtlich bestehen. Das heißt, dass auch Menschen, die beispielsweise aufgrund einer schweren Operation oder einer HIV-Infektion für mindestens sechs Monate auf fremde Hilfe angewiesen sind, einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen können. Wir empfehlen, den Antrag bereits bei einem Pflegegrad 1 zu stellen, da auch hier schon eine Menge Hilfe organisiert werden kann.
Schritt-für-Schritt zum Pflegegrad
1. Schritt | Antrag stellen
Wer Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen muss, stellt einen Antrag bei der Pflegekasse. Die Pflegekasse ist bei der Krankenkasse angesiedelt. Den Antrag können auch Angehörige, Nachbarn oder Mitglieder der Wahlfamilie stellen, wenn sie dazu bevollmächtigt sind. Nach Antragstellung bei der Pflegekasse beauftragt diese den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder einen unabhängigen Gutachter bzw. eine Gutachterin mit der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Privatversicherte stellen einen Antrag bei ihrer Versicherung. Die Begutachtung erfolgt dann durch Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes “MEDICPROOF„.
Musterformulierung:
Absender
»Name und Anschrift des/r Versicherten«
an
»Adresse der Pflegekasse«
»Versichertennummer«
»Datum«
Antrag auf Pflegeleistungen
Sehr geehrte Damen und Herren, wegen meiner Erkrankungen/Behinderungen bin ich darauf angewiesen, dass mir bei der Pflege regelmäßig geholfen wird. Hiermit beantrage ich Leistungen aus der Pflegeversicherung.
Mit freundlichen Grüßen
»Unterschrift des/r Versicherten«
2. Schritt | Terminvereinbarung für die Begutachtung
Innerhalb von ca. 2 Wochen wird sich der/die Gutachter/in mit euch in Verbindung setzen, um einen Termin zu vereinbaren. Selbstverständlich könnt Ihr auch eine Person Eures Vertrauens mitbringen. Die gesetzliche Bearbeitungsfrist für Anträge auf Pflegegeld beträgt 25 Werktage. Bei einem Aufenthalt im Krankenhaus, in einer stationären Rehabilitationseinrichtung, in einem Hospiz oder während einer ambulanten Hospizversorgung muss die Begutachtung innerhalb einer Woche erfolgen, wenn dies zur Sicherstellung der weiteren Pflege erforderlich ist oder wenn Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragt werden soll. Befindet sich der Pflegebedürftige ohne palliativpflegerische Versorgung in häuslicher Umgebung und soll Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden, gilt eine Bearbeitungsfrist von zwei Wochen.
Zu beachten ist, dass nach Ablauf des Jahres 2017 folgende Regelung gilt: Erteilt die Pflegekasse den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags oder werden die verkürzten Begutachtungsfristen nicht eingehalten, hat die Pflegekasse nach Fristablauf für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro an die Antragstellerin oder den Antragsteller zu zahlen. Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich die Antragstellerin beziehungsweise der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bereits als mindestens erheblich pflegebedürftig (mindestens Pflegegrad 2) anerkannt ist.
3. Schritt | kostenlose Pflegeberatung (Empfehlung)
Lasst euch durch eine kostenfreie Pflegeberatung auf Gutachter:innenbesuch vorbereiten!
Versicherte, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, haben gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen, das für sie die private Pflegepflichtversicherung durchführt, einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegeberatung. Gleiches gilt für Versicherte, die zwar noch keine Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, aber einen Antrag auf Leistungen gestellt haben und bei denen erkennbar ein Hilfe- und Beratungsbedarf besteht. Auch pflegende Angehörige und weitere Personen, zum Beispiel ehrenamtliche Pflegepersonen, haben einen eigenständigen Anspruch auf Pflegeberatung. Voraussetzung hierfür ist die Zustimmung der beziehungsweise des Pflegebedürftigen.
4. Schritt | Die Begutachtung
Die Pflegekasse lässt durch den Medizinischen Dienst, andere unabhängige Gutachterinnen und Gutachter oder bei knappschaftlich Versicherten durch den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) ein Gutachten erstellen, um die Pflegebedürftigkeit und den Pflegeaufwand im Einzelnen festzustellen; bei privat Versicherten erfolgt die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst „MEDICPROOF„.
Zur Begutachtung kommt der/die jeweilige Gutachter:in (Pflegefachkraft oder Ärztin/Arzt) nur nach vorheriger Terminabsprache in die Wohnung oder die Pflegeeinrichtung – es gibt keine unangemeldeten Besuche. Bei dem Termin sollten im Idealfall auch die Angehörigen oder Betreuerinnen und Betreuer der erkrankten Person anwesend sein. Das Gespräch mit ihnen ergänzt das Bild der Gutachterin oder des Gutachters davon, wie selbstständig die Antragstellerin oder der Antragsteller noch ist bzw. welche Beeinträchtigungen vorliegen. Für die Einschätzung der Pflegebedürftigkeit und die Einstufung in einen Pflegegrad wird ein Begutachtungsinstrument verwendet, das von der individuellen Pflegesituation ausgeht.
Es orientiert sich an Fragen wie:
Was kann die pflegebedürftige Person im Alltag selbstständig tun? Welche Fähigkeiten sind noch vorhanden?
Wie selbstständig ist der oder die Pflegebedürftige?
Wo braucht er oder sie Hilfe?
Grundlage der Begutachtung ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der die individuellen Beeinträchtigungen in den Mittelpunkt stellt – unabhängig davon, ob sie körperlicher, geistiger oder psychischer Art sind.
| Service |Pflegeprotokoll
Die Begutachtung kann durch ein Pflegeprotokoll vorbereitet werden.
Bei der Begutachtung ist der/die Gutachter/in auf Deine Mithilfe angewiesen, da zum Zeitpunkt der Begutachtung nur eine „Momentaufnahme“ gemacht werden kann.
Mit dem Ausfüllen des Pflegeprotokolls hast du vorab schon wie eine Art „Roten Faden“ , was Dich erwartet, welche Fragen gestellt werden und Du kannst alles aufführen was du gern ansprechen möchtest.
5. Schritt | Gutachten prüfen / Widerspruch einlegen
Zur Feststellung der Pflegestufe wird ein Gutachten erstellt. Der Gutachter teilt der Pflegekasse das Ergebnis der Begutachtung in Form einer Empfehlung mit. Auf der Grundlage der gutachterlichen Empfehlung entscheidet die Pflegekasse über den Pflegegrad.
Die Entscheidung wird Euch in einem schriftlichen Bescheid mitgeteilt. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
Bewilligung oder Ablehnung. Gut ist es, wenn die Pflegekasse den beantragten Pflegegrad anerkennt und die beantragten Leistungen bewilligt. Die Leistungen werden in der Regel rückwirkend ab dem Monat der Antragstellung gewährt. Neben dem Bescheid über die Pflegestufe wird auch das Pflegegutachten übersandt. Widerspruch einlegenManchmal werden Anträge aber auch abgelehnt oder es wird ein niedrigerer Pflegegrad anerkannt, als der Pflegebedürftige sich erhofft hat. Auch wenn Ihr den Eindruck habt, dass der Gutachter/die Gutachterin nicht queer-sensibel vorgegangen ist und Ihr deshalb benachteiligt wurdet, ist das ein Grund, Widerspruch einzulegen. Wenn ihr also mit der Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden seid, habt ihr einen Monat ab Zugang des Bescheides Zeit, Widerspruch (GKV) / Einspruch (PKV) bei der Pflegekasse einzulegen.
Enthält der Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Frist ein Jahr (GKV). Sicherheitshalber sollte der Widerspruch / Einspruch per Einschreiben mit Rückschein verschickt werden. Ihr könnt ihn auch per Fax schicken. So könnt Ihr im Zweifelsfall nachweisen, dass Ihr die Frist eingehalten habt. Es ist jedoch bisher nicht möglich, den Widerspruch per E-Mail einzureichen.
6. Schritt | Hilfen organisieren
Je nach Pflegegrad gibt es verschiedene Möglichkeiten, welche Hilfen in welchem Umfang in Anspruch genommen werden können. Eine Übersicht zu den quersensiblen Pflegehilfen findet ihr hier.